Was passiert eigentlich mit dem CE Kennzeichen nach dem Brexit?
Obschon wir es bis zuletzt kaum glauben konnten, ist der Brexit nun vollzogen. Allerdings herrscht in den meisten Punkten immer noch große Unsicherheit für viele Menschen, egal ob Händler, Hersteller, Einkäufer, Unternehmen, Speditionen, Zollbeamte oder auch Privatpersonen.
Zunächst ein paar Grundlagen: Die CE Kennzeichnung (französisch für „Conformité Européenne“, also „Europäische Konformität“) ist grundsätzlich eine Erfindung der Europäischen Union. Die verschiedenen Staaten, so auch Deutschland und vormals das Vereinte Königreich, haben die entsprechenden Richtlinien und Normen zwar in lokales Recht übernommen, ausgearbeitet werden diese aber übergreifend in der Union.
Wer als Hersteller seine Produkte egal wo im europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verkaufen will, muss sich an die europäischen Richtlinien und harmonisierten Normen halten. Dass er dies getan hat, darf er in vielen Fällen durch die „Konformitätserklärung“ selbst deklarieren. Nur in gewissen Fällen müssen die Produkte auch von einer sogenannten „benannten Stelle“ geprüft und zertifiziert werden.
So ist die Lage im gesamten europäischen Binnenmarkt. Aber wie sieht es denn nun aus, wenn das Vereinte Königreich im Zuge des „Brexit“ nicht mehr Mitglied der EU ist? Nun, damit fällt auch die Mitgliedschaft zum Wirtschaftsraum weg und Britannien wird damit zu einem sogenannten „Drittland“! Was bedeutet das für Sie als Maschinenhersteller, der seine (vorschriftsmäßig CE-gekennzeichneten) Produkte dort vertreiben möchte?
Wie bei so vielen Fragen zum Thema Brexit ist die Antwort leider etwas komplizierter. Wir werden Ihnen im Folgenden die wichtigsten Punkte erläutern.
Das UKCA Zeichen
Zukünftig müssen auf dem britischen Markt also Maschinen, die ehemals unter die CE Kennzeichnungspflicht fielen, nun die Anforderungen der britischen Richtlinien und Normen erfüllen und dann mit dem neuen UKCA Symbol gekennzeichnet werden.
Aber zunächst einmal gibt es zwei Gründe zum Aufatmen
Erstens: Für die meisten Produkte gilt ein Bestandsschutz. Das heißt, alle Produkte, die vor dem 1. Januar 2021 im EWR (also noch inklusive Großbritannien) in Verkehr gebracht wurden, dürfen weiterhin mit dem bestehenden CE Zeichen verkauft werden. (Was genau alles als „Inverkehrbringen“ gilt, ist für den Laien nicht immer ganz eindeutig, in unseren
FAQ
erfahren Sie mehr).
Zweitens: Es gibt eine Übergangsfrist bis Ende des Jahres 2021, in der bis auf einige Ausnahmen Produkte mit CE Zeichen weiterhin verkauft werden dürfen, solange die EU- und GB-Anforderungen identisch bleiben. Dazu später noch mehr.
Zu den Ausnahmen gehören unter anderem Produkte aus dem Bereich Medizin, Tabakwaren, private Sprengstoffe sowie alle Produkte, die nicht selbst deklariert, sondern von einer benannten Stelle (im Englischen „approved body“) zertifiziert werden müssen. Denn: Ab dem 1. Januar 2021 erkennen Großbritannien und die EU gegenseitig ihre „approved bodies“ nicht mehr an!
Was für Sie als Hersteller in der EU bedeutet, wenn Sie Ihre Produkte auf dem britischen Markt vertreiben wollen, dass Sie eine in der UK-basierte, anerkannte Stelle hinzuziehen müssen.
Umgekehrt bedeutet dies auch, falls Sie Baumusterprüfungen durch eine anerkannte Stelle in Großbritannien durchführen lassen, dass diese ab 2021 ebenfalls nicht mehr für die CE Kennzeichnung anerkannt werden!
Soweit noch ganz verständlich? Keine Sorge, es wird komplizierter!
Wie das beim Brexit nun mal so ist, wird es natürlich nochmal verwirrender. Denn in Nordirland gelten wiederum
besondere Regeln. Um keine Grenzübergänge und Zollstationen mitten durch die „Emerald Isle“ ziehen zu müssen, wurde hier nämlich eine Sonderregelung vereinbart: Nordirland bleibt offiziell Teil des europäischen Binnenmarktes. Das bedeutet, dass alle Produkte hier die europäischen Anforderungen erfüllen und somit ein CE Zeichen tragen müssen.
Um aber gleichzeitig den nordirischen Produkten uneingeschränkten Zugang zum britischen Markt zu gewährleisten, dürfen (CE konforme) nordirische Produkte ungehindert auf dem britischen Markt verkauft werden. Zusätzlich zu dem CE Zeichen wird dann ein spezielles „UKNI“ (NI für Nord Irland) auf dem Produkt angebracht.
Wenn ich ein UKCA Zeichen brauche, wie sehen denn die Anforderungen aus?
Zum Zeitpunkt des Austritts übernimmt das Vereinte Königreich zunächst die EU-Richtlinien und -Normen in nationales Recht. Das heißt, ein CE-konformes Produkt ist auch UKCA-konform ... zumindest für den Moment!
Sollte sich entweder im EU-Recht oder im GB-Recht etwas ändert, sind diese nicht mehr identisch!
Die Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) wird beispielsweise auf britischer Ebene ersetzt durch die „Supply of Machinery (Safety) Regulations 2008“. Und die Atex-Richlinie (2014/34/EU) durch „Equipment and Protective Systems Intended for use in Potentially Explosive Atmospheres (Northern Ireland) Regulations 2017“.
Dazu ein Hinweis: die europäischen Richtlinien gelten international und werden daher in mehreren Sprachen veröffentlicht. Es muss also nicht nur die EU-Richtlinie in englischer Sprache, sondern speziell das britische Pendant berücksichtigt werden. In der folgenden Tabelle finden Sie eine Auswahl von EU-Richtlinien, den dazugehörigen englischen Bezeichnungen und dann die nationalen, britischen Entsprechungen zu diesen. Eine vollständige Liste finden Sie auf der
Seite der britischen Regierung.
Kleiner Trost: Die britische Regierung hat zugesichert, bis zum Ende der Übergangszeit zunächst keine Änderungen an ihren nationalen Vorschriften vorzunehmen. Von Seite der EU gab es allerdings keine solche Aussage.
Was brauche ich noch alles für die Kennzeichnung?
Da die nationalen britischen Richtlinien auf dem aktuellen Stand der europäischen basieren, ist auch für das UKCA eine vollständige technische Dokumentation erforderlich, welche für zehn Jahre archiviert und auf Anfrage den entsprechenden Behörden vorgelegt werden muss.
Statt der EU-Konformitätserklärung gehört hier eine „UK-Declaration of Conformity“ dazu, die sich inhaltlich zunächst ähneln. Dazu gehören eine Produktbeschreibung, Name und Unterschrift des Herstellers und andere Dinge, die Sie schon von der EU-Konformitätserklärung kennen.
Der wichtigste Unterschied dabei: Bei der UK-Version dürfen in Zukunft nicht die angewendeten EU-Richlinien und Normen aufgelistet werden, sondern deren nationale britische Entsprechungen.
Kann ich beide Vorschriften erfüllen, um das CE und das UKCA Zeichen anbringen zu dürfen?
Ja, das geht! Wie auch bei dem CE Zeichen dürfen neben dem UKCA Zeichen zwar keine anderen Symbole angebracht werden, die „von der Bedeutung des Symbols ablenken“ können. Die britische Regierung hat aber explizit klargestellt, dass die CE und UKCA Zeichen beide zusammen an dem Produkt angebracht werden dürfen.
Vorausgesetzt das Produkt erfüllt zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens die Anforderungen beider Gesetzgebungen, versteht sich. Wie bereits erwähnt sollte dies für die meisten Produkte zunächst der Fall sein. Schwieriger wird es, wenn sich die EU- und GB-Vorschriften im Laufe der Zeit immer weiter voneinander entfernen sollten. Wenn Sie also beide Zeichen haben wollen, müssen Sie möglicherweise die schärfere von beiden erfüllen. Oder wenn es ganz blöd läuft, widersprechen sich die Anforderungen irgendwann vielleicht sogar! „Only time will tell“, wie der Engländer sagt!
Wie bringe ich das UKCA Zeichen an?
Wie Sie es bereits von dem CE Zeichen kennen, soll auch das UKCA Zeichen eigentlich fest an jedem Produkt angebracht werden („permanently attached“). Bis zu Beginn des Jahres 2023 darf das Zeichen noch als Label auf dem Produkt oder der dazugehörigen Dokumentation aufgeklebt werden. Hierbei sollte dafür Sorge getragen werden, dass auch dieses Label sicher am Produkt haftet.
Aber grundsätzlich gilt auch hier: Das Zeichen muss gut sichtbar und in einer ausreichenden Größe (je nach Produktart) angebracht werden.
Was gibt es noch zu beachten?
Händler mit Sitz in der EU, die ihre Produkte auf dem britischen Markt vertreiben wollen, sind rechtlich nun als Importeure anzusehen. Hiermit gehen zusätzliche Pflichten einher.
So müssen diese unter anderem einen Bevollmächtigten mit inländischer – sprich britischer – Adresse stellen, in dessen Firmennamen die Produkte vertrieben werden. Und je nachdem aus welchem Land heraus Sie Ihr Produkt anbieten, müssen Sie sich auch mit den eigenen Gesetzen und Zollbestimmungen für den Export in ein „Drittland“ vertraut machen.
Fraglich bleibt auch, inwiefern ein solcher „Importeur“ für alle Teile seiner eigenen Lieferkette verantwortlich ist. Genau genommen wäre er nämlich in der Pflicht, alle eingehenden Halbzeuge, Komponenten und (unvollständige) Maschinen, die bei der Erzeugung seines Produkts genutzt wurden, auf ihre Konformität nach den neuen Regularien zu prüfen, auch wenn diese Zulieferer selbst im europäischen Ausland liegen und dementsprechend anderen Richtlinien und Vorschriften Folge leisten.
Okay, dann weiß ich jetzt Bescheid! Oder ...?
Wir befürchten, so einfach ist es dann wieder mal doch nicht. Denn bis ins letzte Detail ist der Brexit immer noch nicht in trockenen Tüchern.
Alles, was Sie bisher gelesen haben, basiert auf den Aussagen der britischen Regierung. Also deren Absicht, das Thema „Maschinensicherheit“ in Zukunft im Inland zu regeln. Wie aber der Austausch mit dem Ausland, egal ob Ex- oder Import, aussieht, steht noch nicht abschließend fest. Insbesondere den Sonderstatus von Nordirland und der Grenzübergang zwischen EWR und dem britischen Markt befinden sich noch in der Schwebe.
Auch in Schottland, welches mehrheitlich gegen den Brexit gestimmt hat, werden die Rufe nach weiteren Ausnahmen und Sonderregeln wie für Nordirland immer lauter. Bisher wurde auf diese Forderungen von der britischen Regierung kaum eingegangen, aber auch dies ist eine Entwicklung, die man im Auge behalten sollte.
Und wie es dann in der Praxis tatsächlich aussieht oder sich die Lage im Laufe der Übergangszeit weiterentwickelt, steht nochmal auf einem ganz anderen Blatt. Mehr können auch wir Ihnen zu diesem Zeitpunkt leider nicht sagen.
Es bleibt auf jeden Fall spannend. Sobald es neue Entwicklungen zum Thema Brexit und Maschinensicherheit gibt, werden Sie natürlich von uns auf dem Laufenden gehalten. Bis dahin heißt es: Keep calm and drink tea!