Alte Schätzchen, aber „neue“ Ware?
Alte Maschinen ohne CE Zeichen – und nun?
Wer kennt sie nicht: In der Werkstatt steht eine alte Drehbank. Keine CNC-Steuerung, ohne Schutzabdeckungen oder Sicherheitsschalter, und alles wird per Hand bedient. In vielen Fällen ist sie sogar die Lieblingsmaschine der alten Hasen im Betrieb, die nichts von dem modernen Schnickschnack halten.
Das geht so lange gut, bis es doch zu einem Unfall kommt. Wenn man Pech hat und der Unfall schwer genug war, um die Berufsgenossenschaft oder die Aufsichtsbehörde auf den Plan zu rufen, haben Sie Rede und Antwort zu stehen. Eine Frage, die dabei mit Sicherheit aufkommen wird: Ist die Maschine überhaupt betriebssicher oder gibt es eine gültige CE-Kennzeichnung?
Stammt die Maschine noch aus der Zeit vor der Einführung der Maschinenrichtlinie, fehlt auch die CE-Kennzeichnung. Hätten Sie diese dann überhaupt betreiben dürfen? Oder hätten Sie vielleicht sogar selbst ein CE-Bewertungsverfahren durchführen müssen?
Maschinen, die noch aus der Zeit vor der CE-Kennzeichnung stammen
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zuerst ein paar Grundlagen klären. Die Konformitätsbewertung ist vor dem ersten "Inverkehrbringen" durchzuführen. Wurde die Maschine also vor dem Inkrafttreten der Maschinenrichtlinie in Verkehr gebracht, ist auf dem Typenschild auch kein CE-Zeichen zu finden. Hier ist das Inverkehrbringen ausschlaggebend und nicht das Datum des Kaufs. Wenn Sie eine gebrauchte Maschine ohne CE-Kennzeichnung kaufen, müssen Sie dieses Verfahren auch nicht nachholen.
Ganz im Gegenteil: es ist Ihnen sogar untersagt! Denn die Konformitätsbewertung ist grundsätzlich – bis auf ein paar Ausnahmen – durch den Hersteller der Maschine durchzuführen. Als reiner Betreiber dürfen Sie an einer Maschine keine CE-Kennzeichen anbringen. Ohne Weiteres betreiben dürfen Sie sie allerdings auch nicht.
Achtung: In folgenden Fällen wird der Betreiber zum Hersteller!
Es gibt einige Sonderfälle, in denen Sie als Betreiber einer Maschine zum Hersteller im Sinne der Maschinenrichtlinie werden, beziehungsweise Herstellerpflichten übernehmen. In diesen Fällen wären Sie zu der Durchführung einer Konformitätsbewertung verpflichtet.
Erstens: wenn Sie eine Maschine erstmalig aus dem Ausland einführen.
Hersteller ist, wer erstmalig eine Maschine im europäischen Wirtschaftraum in Verkehr bringt. Haben Sie aber eine (Gebraucht-)Maschine aus einem Drittland eingeführt und diese wurde noch nie zuvor hier auf dem Unionsmarkt angeboten, sind Sie derjenige, der die Maschine "in Verkehr gebracht" hat. Dadurch übernehmen Sie als Importeur gewisse Herstellerpflichten und tragen unter anderem die Verantwortung dafür, dass das Produkt den
aktuell geltenden Richtlinien entspricht.
Zweitens: wenn Sie die Maschine "wesentlich verändern".
Haben Sie eine sogenannte "wesentliche Veränderung" an der Maschine durchgeführt, werden Sie zum Hersteller dieser "neuen" Maschine. Das gilt übrigens grundsätzlich für Änderungen an allen Maschinen, nicht nur für gebrauchte oder solche ohne CE-Kennzeichen. Zur besseren Einschätzung, was genau als "wesentliche Veränderung" anzusehen ist, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Interpretationspapier "Wesentliche Veränderung von Maschinen" veröffentlicht.
Drittens: wenn Sie mehrere Maschinen verketten.
Verbinden Sie mehrere Einzelmaschinen miteinander und betreiben diese zur Erfüllung einer gemeinsamen Funktion, werden Sie zum Hersteller dieser neuen sogenannten "Gesamtheit von Maschinen". Mehr Informationen finden Sie auch in unserem Blogbeitrag "Teamplayer: CE Kennzeichnung von Maschinenanlagen oder auch ‚Gesamtheit von Maschinen‘".
Kann ich ansonsten Maschinen ohne CE-Zeichen aus zweiter Hand ohne weiteres betreiben?
Sind Sie ausschließlich Betreiber und kein Hersteller entsprechend der oben genannten Sonderfälle, dann sind Sie aus Sicht der Maschinenrichtlinie nicht zur Durchführung einer Konformitätsbewertung der Maschine verpflichtet.
Aber: als Arbeitgeber sind Sie natürlich ganz allgemein für die Sicherheit Ihrer Mitarbeiter verantwortlich!
Ganz allgemein ist dafür zu sorgen, dass alle eingesetzten Betriebsmittel sicher für die Bediener sind. Mit „Betriebsmittel“ sind hierbei alle Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen gemeint, die für eine Arbeit benötigt werden. Grundlage ist dabei nicht die Maschinenrichtlinie, sondern die Betriebssicherheitsverordnung.
Betriebssicherheitsverordnung Abschnitt 2 §3:
"(1) Der Arbeitgeber hat vor der Verwendung von Arbeitsmitteln die auftretenden Gefährdungen zu beurteilen (Gefährdungsbeurteilung) und daraus notwendige und geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten."
Möchten Sie also eine alte Maschine ohne CE-Kennzeichen betreiben, müssen Sie vor der Aufnahme der Tätigkeit eine Gefährdungsbeurteilung durchführen.
Inhaltlich gibt es zwar gewisse Überschneidungen zwischen dieser und der Risikobeurteilung im Zuge des Konformitätsbewertungsverfahrens, ist mit ihr aber nicht gleichzusetzen. Eine Abgrenzung der Begriffe finden Sie auch in unserem Blogbeitrag "Risiko = Gefahr? Risikobeurteilung = Gefährdungsbeurteilung?".
In der Praxis
Um Ihnen eine Vorstellung von der Vorgehensweise in der Praxis zu geben, wurden uns netterweise einige Beispiele durch das
Deutsche Museum in München zur Verfügung gestellt.
Die Exponate in einem Museum sind so alt, dass diese natürlich aus der Zeit vor der CE-Kennzeichnung stammen. Und es leuchtet sicherlich ein, dass niemand an diesen historisch wertvollen Ausstellungsstücken eine "wesentliche Veränderung" vornehmen möchte. Insofern fallen diese aufgrund ihres Alters nicht unter die Kennzeichnungspflicht der Maschinenrichtlinie.
Aber dennoch muss bei den Ausstellungsstücken, insbesondere wenn es Vorführungen mit Publikumsverkehr gibt, auf die Sicherheit aller Beteiligten geachtet werden. Zu schützen sind hier zum einen die Museumsmitarbeiter, die die Maschinen zwecks Vorführung bedienen, zum anderen die Besucher, die sich in der Nähe aufhalten.
"Das trifft auf uns ja nicht zu, bei uns gibt es keine Besucher", denken Sie vielleicht. Aber auch in Fertigungsunternehmen kennt nicht jeder Mitarbeiter alle Maschinen. Oder es kommen an einer Anlage Personal aus anderen Abteilungen vorbei, die von den Gefahren an der Anlage nichts wissen. Dieses Personal lässt sich als Pendant zu den Besuchern im Museum betrachten.
Genau wie in einem Museum Besucher von den Vorführobjekten ferngehalten werden, müssen auch in der Industrie unbefugte Person von gefährlichen Maschinen ferngehalten werden. Dazu können Geländer, Schutzzäune, Lichtschranken und vieles mehr zum Einsatz kommen. Ziel ist immer: Nur Personen, die mit den Risiken im Betrieb vertraut sind, dürfen überhaupt in die Nähe der Gefahrenquellen kommen.
Das Bedienpersonal, welches dann noch Zugang zu diesen Maschinen hat, muss dann in entsprechenden Unterweisungen mit dem Betrieb vertraut gemacht und auf mögliche Restrisiken hingewiesen werden.
Die Maschinen müssen dabei in Ihrem gesamtheitlichen Kontext betrachtet werden, dem sogenannten "Arbeitssystem". Im Deutschen Museum steht beispielsweise die oben gezeigte
Dampfmaschine, welche ursprünglich mit Wasserdampf betrieben wurde. Sie können sich ausmalen, dass der Wasserdampf aus der Dampfmaschine auf Dauer andere Ausstellungsstücke schwer schädigen würde; Teile könnten zum Beispiel rosten und im schlimmsten Fall herunterfallen – das möchte niemand!
Im Museum wird dies gelöst, indem die Maschine stattdessen elektrisch betrieben wird. In Ihrem Unternehmen müssen Sie ebenfalls die Wechselwirkungen verschiedener Arbeitssysteme und Maschinen betrachten. Haben Sie eine alte Tischkreissäge ohne CE-Zeichen, dürfen Sie diese zwar betreiben. Aber es kann sein, dass Sie zum Beispiel eine moderne Absaugung nachrüsten müssen, um die erhöhte Brandgefahr zu kompensieren. Und natürlich müssen Sie Ihren Mitarbeitern persönliche Schutzausrüstung in Form von Atemmasken gegen die Staubbelastung zur Verfügung stellen.
Fazit
Grundsätzlich lässt sich sagen: Möchten Sie eine alte Maschine ohne CE-Zeichen unverändert betreiben, müssen Sie (bis auf die oben genannten Ausnahmen) nicht das komplette Verfahren zur Konformitätsbewertung "nachholen".
Trotzdem müssen Sie als Arbeitgeber Ihren Pflichten im Sinne des Arbeitsschutzes nachkommen. Dazu sollten Sie zusammen mit Ihrer Fachkraft für Arbeitssicherheit und den Bedienern vor Aufnahme ihrer Tätigkeit eine Gefährdungsbeurteilung durchführen und gegebenenfalls Schutzeinrichtungen oder -maßnahmen nachbessern.
Falls Sie unsicher sind, ob Sie z. B. aufgrund einer Verkettung von Maschinen doch zum Hersteller geworden sind oder Sie einfach nur Hilfe bei der CE-Kennzeichnung einer wesentlich veränderten Maschine benötigen, dann stehen Ihnen die Experten von
en:plan natürlich jederzeit zur Seite!




