Die Begriffe Risikobeurteilung und Gefährdungsbeurteilung werden in der Praxis häufig vertauscht
Da es in dem folgenden Text um leicht zu verwechselnde Begriffe geht, besteht das Risiko, dass Sie zunächst vielleicht etwas verwirrt sein werden. Aber keine Angst: wenn Sie diesen Eintrag lesen, besteht am Ende für Sie keine Gefahr
mehr, dass Ihnen ein solches Missverständnis unterlaufen könnte.
Sie sind noch dabei? Gut, denn wir möchten Ihnen praxisnah verdeutlichen, dass Begriffe, die zwar ähnlich klingen, dennoch sehr unterschiedliche Bedeutungen haben können. Und werden die beiden durcheinandergebracht, sind Missverständnisse vorprogrammiert. Ein Beispiel aus unserem Fachbereich sind die Risikobeurteilung
und die Gefährdungsbeurteilung.
Beides klingt im ersten Moment ziemlich ähnlich, aber wenn es darum geht, wer verpflichtet ist, das eine oder das andere zu erstellen beziehungsweise zu liefern, ist dies oft nicht klar und mitunter sogar konfliktbehaftet.
Zunächst ein konkretes Fallbeispiel aus der Praxis: Der Käufer einer CE-kennzeichnungspflichtigen Sondermaschine hat den Hersteller vertraglich verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung
zu erstellen und verweigert die Zahlung der Schlussrechnung aufgrund dieses fehlenden Dokumentes. Der Hersteller hingegen hat nämlich, so wie auch der Gesetzgeber es fordert, eine Risikobeurteilung
für seine Maschine durchgeführt.
Hier treten nun zwei Probleme auf. Erstens: Auf das Aushändigen der Risikobeurteilung
hat der Käufer gesetzlich erstmal keinen Anspruch, da es sich um ein technisches Dokument mit unter Umständen schützenswertem Knowhow handelt. Zweitens: Eine Gefährdungsbeurteilung, so wie im Vertrag gefordert, ist ein Dokument, welches nicht durch den Maschinenhersteller, sondern durch den Arbeitgeber erstellt werden muss.
Die Vertragsklausel ergibt so gesehen keinen Sinn. Das wäre nicht passiert, wenn beide Parteien zum Zeitpunkt der Vertragsschließung Klarheit über Ursprung und Bedeutung dieser Begriffe gehabt hätten. Damit Ihnen sowas nicht passiert, im Folgenden eine klare Abgrenzung der Begriffe.
Der Gesetzgeber hat es Ihnen – zugegeben – bei der Wahl der Begriffe nicht gerade leicht gemacht. Eine klare Trennung ist, insbesondere für den Laien, schwer vorzunehmen. Folglich herrscht auch Unklarheit über den Prozess, der sich hinter jedem dieser Begriffe verbirgt. Aber zunächst zu den Gemeinsamkeiten: In beiden Fällen geht es darum, potenzielle Gefahren zu analysieren, zu beurteilen und nach Möglichkeit zu verhindern. Bei beiden Verfahren ist das erklärte Ziel, dass keine Personen zu Schaden kommen. Der Hauptunterschied zwischen den Beurteilungen liegt darin, wer wofür die Verantwortung trägt.
Risikobeurteilung
Bei der Risikobeurteilung
geht es um Maschinensicherheit. Jede Maschine, die Sie betreiben (egal, ob die Drehbank auf der Arbeit oder auch die Küchenmaschine zu Hause), muss sicher benutzbar sein. Die Maschinensicherheit ist dabei Herstellerpflicht. Salopp gesagt: Fliegt Ihnen trotz vorschriftsmäßiger Bedienung die Maschine um die Ohren, ist der Fehler oder die Verantwortung zunächst einmal bei dem Hersteller aufgrund einer fehlerhaft konstruierten Maschine zu suchen.
Die Grundlage dafür, welchen Mindestsicherheitsstandard eine Maschine im europäischen Wirtschaftsraum erfüllen muss, ist in der Maschinenrichtlinie (EU-Richtlinie 2006-42-EG) definiert. Zur Erfüllung der dort genannten Anforderungen wird in der Norm DIN EN ISO 12100 die Risikobeurteilung
beschrieben. Die Risikobeurteilung
hilft dem Hersteller dabei, systematisch Gefährdungen zu erkennen und diese komplett zu verhindern, deren Auswirkungen zu vermindern und vor Restrisiken zu warnen.
Der Hersteller führt also eine Risikobeurteilung
durch, um das Gefährdungspotential seiner Maschinen zu untersuchen und durch geeignete Maßnahmen deren sicheren Betrieb zu ermöglichen. Dass er diesen Prozess durchgeführt hat, bestätigt er durch das Anbringen des CE Zeichens an seinem Produkt.
Dabei geht es aber ausschließlich um Risiken, die durch den Betrieb
der Maschine selbst entstehen können! Im klaren Gegensatz zu der ...
Gefährdungsbeurteilung
Diese wird nämlich (unter anderem) durch das Arbeitsschutzgesetz, die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften und durch die Betriebssicherheitsverordnung gefordert. Aus diesen ergibt sich, dass grundsätzlich der Betreiber dafür verantwortlich ist, seinen Mitarbeitern ein sicheres Arbeitsumfeld zur Verfügung zu stellen. Also besteht die Verantwortung nicht nur darin, eine sichere Maschine (mit CE Kennzeichnung) zu beschaffen, sondern auch darauf zu achten, dass das komplette Arbeitsumfeld (im Fachjargon: Arbeitssystem), in dem die Maschine betrieben wird, sicher ist.
In der Gefährdungsbeurteilung
werden somit sämtliche Gefahren
betrachtet, die für die Mitarbeiter entstehen können. Die Bedienung von verschiedenen Maschinen ist dabei nur ein Aspekt der Untersuchung! Es wird auch untersucht, ob Mitarbeiter beispielsweise gesundheitsschädlichen Stoffen ausgesetzt werden, oder auch wie ergonomisch die Tätigkeiten sind, falls aus übermäßiger Belastung oder Fehlhaltungen langfristige Schäden entstehen können.
Aber auch an sich sichere (und CE-konforme) Maschinen können durch die Arbeitsplatzumgebung oder in Verbindung mit anderen Arbeitsmitteln gefährlich werden. Eine sichere Tätigkeit kann unsicher werden, wenn gleichzeitig zum Beispiel Flüssigkeiten auslaufen und so Rutschgefahren verursachen, Gabelstapler kreuz und quer durch die Werkhalle fahren, bei Schweißarbeiten Rauch und Dämpfe entstehen, Wartungsarbeiten an elektrischen Anlagen in der Nähe durchgeführt werden oder sich auch nur über den Tag hinweg die Lichtverhältnisse wandeln und somit die Sichtbarkeit und Gefahrenerkennung einschränken!
Es leuchtet ein, dass der Maschinenhersteller nicht für all diese Eventualitäten die Verantwortung übernehmen kann. Der Hersteller Ihrer Computermaus ist ja auch nicht schuld, wenn Sie eine Tasse Kaffee an Ihrem Schreibtisch verschütten!
Auch der Gesetzgeber legt ganz klar fest: Betriebssicherheit ist die Verantwortung des Arbeitgebers! Die Verwendung von CE-konformen Geräten entbindet dabei explizit nicht
von der Notwendigkeit, eine Gefährdungsbeurteilung
für alle Arbeitsplätze und Tätigkeiten durchzuführen.
Fassen wir also nochmal zusammen
Die
Risikobeurteilung dient der
Maschinensicherheit und liegt in der Verantwortung des
Herstellers der Maschine. Das Erfüllen der Sicherheitsanforderungen wird durch das CE Kennzeichen ausgewiesen.
Die
Gefährdungsbeurteilung hingegen muss im Zuge der
Betriebssicherheit und des Arbeitsschutzes durchgeführt werden. Hierbei wird der
Betreiber beziehungsweise Arbeitgeber in die Pflicht genommen, für die Sicherheit seiner Mitarbeiter zu sorgen.
Jetzt, wo Sie diesen Blogeintrag gelesen haben, könnte Ihnen ein solches Missverständnis Gott sei Dank nicht mehr passieren. So werden Sie auch nicht in irgendwelche Rechtsstreitigkeiten verwickelt und alle Vertragspartner sind zufrieden.
Sollten Ihnen dennoch etwas unklar sein oder Sie
weitere Fragen haben, können Sie sich natürlich auch an die Experten von
en:plan wenden.